„Wie oft kommt es vor, dass man in der mündlichen Prüfung durchfällt? Woran scheitert es meistens?“ Diese Frage habe ich vor kurzem bekommen. Sicherlich ist es nicht die einzige Person, die sich diese Frage stellt. Ich habe versucht, nicht nur meine eigenen Erfahrungen festzuhalten, sondern auch Oliver Ollram, IHK-Prüfer und YouTuber nach seinen Erfahrungen gefragt.

 

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Wie oft kommt es vor, dass man in der mündlichen Bilanzbuchhalter-Prüfung durchfällt?

Im Jahr 2019, als der Übergangsfrist für die  – damals neue – Prüfungsverordnung endete, und die angehenden Bilanzbuchhalterinnen und Bilanzbuchhalter plötzlich statt Aufgabe ziehen und in 20 Min. lösen eine Präsentation zu Hause vorbereiten mussten, lief der erste Prüfungstag einfach katastrophal. Denn die Prüflinge, auch wenn es zum Glück nicht viele waren, waren durchgefallen: Ihre Präsentationen haben die Prüfungsanforderungen gar nicht erfüllt. Das hat mich ins Grübeln gebracht. Mir war klar, dass es an fehlenden Informationen liegt.  Beim Autofahren hat man viel Zeit zum Nachdenken. So wurde irgendwo auf der Strecke zwischen Augsburg und Bad Hindelang der erste Blogbeitrag zu den Prüfungsanforderungen „geboren“.

Mittlerweile hat DIHK einen Informationsbrief veröffentlicht, in dem die Prüfungsanforderungen detailliert erläutert werden.  Oliver Ollram hat ein umfangreiches Video (1:22 Min.)  mit FAQ zur mündlichen Prüfung bei dem IHK-Abschluss „geprüfte/r Bilanzbuchhalter/in“  in seinem Kanal gepostet, und dies mittlerweile in 2., aktualisierten Auflage. Auch ich mache auf meinem Instagram-Kanal fast täglich eine Aufklärungsarbeit zur mündlichen Prüfung.

Die Ergebnisse dieses zunehmenden Informationsangebots beobachte ich als Prüferin immer mehr darin, dass es in den letzten Jahren seltener vorkommt, dass die Prüflinge in der mündlichen Prüfung durchfallen. Eine allgemeine Statistik habe ich hierzu nicht. Allerdings unter der Teilnehmerinnen und Teilnehmern meiner Masterclass ist es so, dass von circa 30 Personen nur 1 nicht durch die mündliche Prüfung schafft, was unter 1 % liegt. Allerdings kann diese Statistik nicht allgemein angewendet werden, denn meine Kursteilnehmenden zeichnen sich durch besonderes Engagement und Ehrgeiz aus. Bei der offiziellen IHK-Statistiken liegt die Bestehensquote im Abschluss „geprüfte/r Bilanzbuchhalter/in“ bei ca. 80-82 %. Hier ist allerdings nicht ganz klar, welche Prüfungsteile in die Statistik einbezogen werden. Ich habe hier an DIHK geschrieben, und sobald hier eine Antwort vorliegt, werde ich den Beitrag updaten.

Basierend auf meinen persönlichen Beobachtungen als Prüferin kann ich auch sagen, dass es zwar auf einer Seite viel weniger wahrscheinlich ist, durch die mündliche Bilanzbuchhalter-Prüfung durchzufallen. Auf anderer Seite ist es aber auch viel schwieriger ein gute beziehungsweise sehr gute Note in der mündlichen Prüfung zu erhalten! Also, wenn du aus deiner mündlichen Prüfung „geprüfte/r Bilanzbuchhalter/in (IHK)“ mit mehr als 70 Punkten rausgehst, kannst du sehr stolz auf dich sein!

Aber auch wenn diese Statistiken sehr beruhigend sind, empfehle ich dir,
dich dennoch sehr sorgfältig auf die mündliche Prüfung vorzubereiten. Insbesondere betrifft es die Abschlusspräsentation – dein „Heimspiel“. Denn auch wenn kein besonderes Bestehen von der Abschlusspräsentation erforderlich ist (es werden nur Gesamtpunkte der mündlichen Prüfung berücksichtigt) und die Benotung der Abschlusspräsentation „nur“ mit 33 % in die Note der mündlichen Prüfung einfließt, lohnt sich die gründliche Vorbereitung immer!

Denn ein guter Start – und die mündliche Prüfung beginnt ja bekanntlich mit der Abschlusspräsentation – gibt dir Sicherheit und lässt das Selbstvertrauen gewinnen. Als Folge von gelungenem Vortrag hast du weniger Stress, was sich in besserer Leistungsfähigkeit während des Fachgesprächs deutlich bemerkbar macht. Und last but not least – kognitive Verzerrungen, sogenannter Bias, verursachen Beurteilungsfehler! Wenn du mit einer schlecht ausgearbeiteten und vorbereiteten Präsentation startest,  sorgt „Horn-Effect“ dafür, dass deine Gesamtprüfung eher negativ bewertet wird, denn bei diesem Wahrnehmungsfehler wird ein schlechter erster Eindruck auf die Gesamtperson / Leistung übertragen. Überzeugst du dagegen mit einem herausragenden Vortrag bei deiner Abschlusspräsentation, kannst du vom „Halo-Effect“ profitieren: Der „Heiligenschein“ überstrahlt dabei eventuelle Defizite und erzeugt dadurch einen besseren, aber eben verzerrten, Gesamteindruck einer Person oder deren Leistung.

Was sind die häufigsten Gründe für das Scheitern in der mündlichen Bilanzbuchhalter-Prüfung?

Auch in den Gründen zum Scheitern, die Oliver Ollram und ich zusammengetragen haben, wirst du die Abschlusspräsentation immer wieder antreffen. Also, los geht’s:

  1. Plagiat bei der Abschlusspräsentation. Wenn die Abschlusspräsentation nicht selbst erstellt wurde, und insbesondere einzelne Folien 1:1 kopiert wurden, kann nicht nur die mündliche Prüfung, sondern auch die gesamte Prüfung mit ungenügend (null Punkte) bewertet werden (DIHK-Information, II 4 d, S. 5). Dies bedeutet, dass im Worst Case auch deine hart erkämpfte schriftliche Prüfung annulliert werden kann.


  2. Die Verfehlung vom Thema. Das Thema muss aus dem Handlungsbereich „Jahresabschlüsse aufbereiten und auswerten“ stammen. Leider rutschen hier die Prüflinge manchmal ins reine Finanzierungsmanagement. Manchmal wird es „zu operativ“ in ein Problem eingetaucht, wobei das große Ganze – Jahresabschluss – aus den Augen verloren geht. Dazu neigen sich sehr oft die Prüflinge, die den Abschluss „geprüfte/r Bilanzbuchhalter/in (IHK)“ nach einem Fachwirt-Abschluss machen, hier übernehmen sie oft unbewusst die Vorgehensweise der Fachwirt-Abschlusspräsentation.


  3. Theoretische Abhandlung anstatt einem Problem aus betrieblicher Praxis. Das Motto hier ist: Zahlen, Daten, Fakten! Meine Faustregel: Kann man deine Problembeschreibung oder Lösungsvorschläge ohne es zu ändern, in eine beliebige Präsentation mit ähnlichem Thema einsetzten – handelt es sich um eine theoretische Abhandlung, und nicht um eine betriebliche Problemdarstellung und deren Lösung!


  4. Ein Blackout, insbesondere während des Fachgesprächs. Ein Blackout während des Präsentationsvortrags kann man gezielt durch viel Übung vorbeugen. Für das Fachgespräch ist es etwas schwieriger. Hier hilft es, auf gute körperliche Verfassung zu achten (ausgeschlafen sein, nicht dehydriert, nicht ausgehungert, nicht übermüdet). Selbstsicherheit spielt hier auch eine große Rolle (hier schließt sich der Kreis zum guten Vortrag).  Bestimmten Antwort-Strategien helfen auch kurze Blackouts zu überwinden. Und zu guter Letzt ist es auch völlig in Ordnung, zuzugeben, dass man einen Blackout hat, und um eine kurze Pause zu bitten.

  5. Ungenügende Leistung im Fachgespräch bei einer bescheidenen Abschlusspräsentation. Man braucht ja 50 Punkte zum Bestehen. Bei einer sehr guten Präsentation holt man sich bereits ca. 30 Punkte (1/3 von 90 Punkte). Dementsprechend benötigt man mindestens 30 Punkte im Fachgespräch, um die fehlende 20 Punkte (2/3 von 30 Punkte) zu holen. Und hier werde ich behaupten, dass jede Person, die schriftliche Prüfung bestanden hat, hat genug Wissen, um 30 Punkte im Fachgespräch zu erhalten. Hat man aber nur z.B. 45 Punkte für die Präsentation erhalten, benötigt man für fehlende 35 Punkte mindestens 53 Punkte im Fachgespräch.

  6. Schlechte Gesprächsführung beim Fachgespräch. Auch viele Punkte können verloren gehen, wenn man keine vernünftige Antwort-Strategie auf die Fragen hat, wo man sich in der Antwort nicht sicher ist oder gar keine Antwort hat. Sehr kurze Antworten, die nur auf das Minimum der Frage reduziert werden, kommen auch schlechter an, als ausführlichere Antworten, die den Gegenstand der Frage von vielen Aspekten betrachten (z.b. Behandlung in HGB und StB), Pro und Kontra einbeziehen etc. Auch sowohl eine Resignation (Aufgeben) während des Fachgespräches als auch Kippen in das aggressive Verhalten können die ganze Prüfungssituation negativ beeinflussen.

Wie du siehst, sind diese Gründe nicht sehr zahlreich und bei einer gezielten, rechtzeitigen Vorbereitung auf die mündliche Bilanzbuchhalter-Prüfung gut vermeidbar!

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Links:

arbeitsABC (2022): Halo-Effekt: Wie der „Heiligenschein“ unsere Psyche austrickst. Online im Internet: https://arbeits-abc.de/halo-effekt/

arbeitsABC (2022): Horn Effekt: Ist der erste (schlechte) Eindruck bleibend? Online im Internet: https://arbeits-abc.de/horn-effekt/

DIHK (2021):  DIHK-Information zum Abschluss Geprüfter Bilanzbuchhalter/Geprüfte Bilanzbuchhalterin – Bachelor Professional in Bilanzbuchhaltung Stand 08/2021. Online im Internet: https://www.ihk.de/blueprint/servlet/resource/blob/5385006/80197d961de0471ad38d77f3cc908cdb/dihk-informationen-data.pdf

Ollram, O. (2022): FAQ zur mündlichen Bilanzbuchhalter-Prüfung (IHK). Update 2022. Online im Internet: https://www.youtube.com/watch?v=apo7qr2wJME

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