Mit solcher provokativen Aussage möchte ich den heutigen – diesmal kurzen – Beitrag anfangen. Grund für diese Provokation ist, dass ich die letzten Tage vermehrt die Diskussionen darüber gelesen habe (und auch die Fragen erhalten habe), dass man die Präsentation auf dieser oder jener Kennzahl aufbaut. Die Kennzahlen sind für Analysten faktisch das gleiche wie Indizien für die Detektive. Wie ein Indiz nicht die Tat selbst ist, so ist auch die Kennzahl nicht das eigentliche Problem.

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Lachnitz und Müller ordnen die Kennzahlen in ihrem Buch „Bilanzanalyse“ als instrumentellen Bausteine der Jahresabschlussanalyse, die durch eine komprimierte, aber präzise Darstellung einen schnellen und umfassenden Überblick über die wirtschaftliche Lage eines Unternehmens ermöglichen.

Kennzahlen informieren in knapper Form über komplexe betriebswirtschaftliche Sachverhalte. (Laurenz Lachnit und Stefan Müller)

Es ist jetzt aber so, dass die wirtschaftliche Lage eines Unternehmens gleichzeitig etliche Aspekte (Dimensionen) beinhaltet. Und ein komplexes betriebliches Problem betrifft in der Regel mehrere Dimensionen. Wenn man versucht, es bildlich darzustellen, könnte es etwa so aussehen:

Quelle: Eigene Darstellung

Die Gefahr, die Präsentation nur auf einer bestimmten Kennzahl aufzubauen, liegt vor allem darin, dass man sich von vorne die Komplexität des Problems wegnimmt.

Nehmen wir als Beispiel die Kennzahl „Anlagenabnutzungsgrad“. Der Anlagenabnutzungsgrad ist nicht das Problem. Das eigentliche Problem ist das veraltete Anlagevermögen. Das bedeutet auf der Liquiditätsseite, dass wir bald die Ersatzinvestitionen brauchen werden. Sollten wir es fremdfinanzieren, verändern diese Ersatzinvestitionen auch unsere Kapitalstruktur, wodurch unsere Stabilität womöglich gefährdet werden kann. Auf der Rentabilitätsseite kann es bedeuten, dass wir gegebenenfalls nicht effizient produzieren. Dies führt sowohl zu geringeren Zahlungsüberschüssen als auch zu den geschmälerten Gewinnen. Das alles zusammen ist das Problem, nicht aber die Kennzahl „Anlagenabnutzungsgrad“ selbst.

Im Fall, dass man bei der Bilanzanalyse eine Kennzahl entdeckt hat, die „aus der Reihe tanzt“, empfiehlt es sich, die eigene Theorie bezüglich des Problems dahinten ebenso anhand der anderen Kennzahlen zu überprüfen. Wenn sich die aufgestellte Theorie zu dem vermutlichen betrieblichen Problem genauso durch die Kennzahlen anderer Dimensionen bestätigt hat, dann hat man schon den größten Teil der Arbeit erledigt. Denn mit dieser Analyse hat man bereits das Problem erfasst und beurteilt. Es bleibt nur diese anschließend in der Präsentation anhand der meist aussagekräftigen Kennzahlen darzustellen (und natürlich auch zu lösen). Und mit dieser Zitat schließe ich den Beitrag ab:

Das Problem zu erkennen ist wichtiger als die Lösung zu erkennen, denn die genaue Darstellung des Problems führt zur Lösung. (Albert Einstein)

Quellen:

„Anlagenabnutzungsgrad – ControllingWiki“ (o. J.): Anlagenabnutzungsgrad – ControllingWiki. Online im Internet: URL: https://www.controlling-wiki.com/de/index.php/Anlagenabnutzungsgrad (Zugriff am: 21.09.2020).

Lachnit, Laurenz; Müller, Stefan (2017): Bilanzanalyse: Grundlagen – Einzel- und Konzernabschlüsse – HGB- und IFRS-Abschlüsse – Unternehmensbeispiele. 2., aktualisierte und überarbeitete Auflage. Wiesbaden: Springer Gabler (= Lehrbuch).

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