Was du über Factoring in der Bilanzbuchhalter-Prüfung besser nicht sagen solltest

„Nachteil von Factoring ist das schlechte Image für das Unternehmen…“

Wenn ich das in einer Abschlusspräsentation für die mündliche Bilanzbuchhalter-Prüfung höre, sehe ich innerlich schon den Staub aufwirbeln – von irgendeinem uralten Buch, das in grauer Vorzeit mal aufgeschlagen wurde. Und genau daraus scheint dann auch diese Aussage zu stammen.

Nicht, weil Factoring automatisch die perfekte Lösung wäre – sondern weil solche Urteile oft klingen, als hätte man sie irgendwo aufgeschnappt – nicht als Ergebnis echter Auseinandersetzung.

Dabei lohnt sich genau die. Denn wer in der Abschlusspräsentation über Maßnahmen urteilt, muss mehr leisten als bloß zitieren. Verstehen, prüfen, einordnen – das ist Erwartung auf Bilanzbuchhalter-Niveau.

Also: kurz durchlüften – und dann schauen wir uns mal an, was wirklich dran ist. Bis zu Ende dranbleiben lohnt sich  – am Ende folgen Tipps für deine Abschlusspräsentation!

Symbolbild für Factoring in der Bilanzbuchhalter-Prüfung – offenes verstaubtes Buch als Metapher für überholte Argumente zur mündlichen Prüfung

Forderungsverkauf: Mehr Geschichte als man denkt

Factoring – der fortlaufende Verkauf von Forderungen eines Unternehmens an einen Finanzierer – ist keine moderne Erfindung, sondern hat sehr frühe Wurzeln.

Erste Vorläufer lassen sich bereits im Altertum nachweisen: So gab es im Babylonien des 18. Jh. v. Chr. Regelungen zum Forderungsverkauf (etwa im Codex Hammurabi).

Auch in der Antike wurden factoring-ähnliche Praktiken genutzt – etwa handelten römische Kaufleute mit „Faktoren“, die gegen Provision Schulden einzogen. Der Begriff „Factoring“ selbst leitet sich vom lateinischen facere („machen“) ab, was über den factor (Vermittler) im Englischen Eingang fand.

Im Mittelalter und der frühen Neuzeit entwickelte sich das Konzept weiter.

Im 13. und 14. Jahrhundert entstanden in England und Frankreich erste Factoring-Gemeinschaften. Ein bekanntes Beispiel sind die „Blackwell Hall“-Factors im London des 17. Jahrhunderts: Bereits 1677 waren in London 38 solcher „Factors“ registriert, die als Absatzvermittler für Waren (wie Wolle) fungierten.

In Kontinentaleuropa ist überliefert, dass die Fugger (Augsburger Kaufleute des 15./16. Jh.) ähnliche Finanzierungsmethoden nutzten.

Die Grundlagen des modernen Factorings wurden schließlich ab dem 18. und 19. Jahrhundert gelegt. 1771 definierte der Ökonom John Hartman Eberhardt in Schweden den Begriff Delkredere – die Übernahme des Kreditrisikos – was einen Kern des echten Factorings beschreibt.

In den USA begann um 1890 die Textilindustrie mit ersten organisierten Factoring-Transaktionen. Aus den USA stammt somit die systematische moderne Form des Factorings, einschließlich erster gesetzlicher Regelungen (z. B. 1949 Einführung einer Benachrichtigungspflicht beim Forderungsverkauf in einigen US-Bundesstaaten).

Von dort gelangte das moderne Factoring zurück nach Europa: 1960 wurde es aus den USA wieder in England eingeführt.

Die internationale Verbreitung nahm an Fahrt auf, als 1968 der Welt-Factoring-Verband Factors Chain International (FCI) von 15 Gesellschaften aus 12 Ländern gegründet wurde – die Gründungssitzung fand erstmals in Deutschland statt.

Factoring in Deutschland: Einführung und Entwicklung

In Deutschland war der Begriff Factoring bis Ende der 1950er Jahre weitgehend unbekannt. Tatsächlich wurde 1958 der erste bekannte Factoring-Vertrag in Deutschland abgeschlossen – durch die Mittelrheinische Kreditbank Dr. Horbach & Co. KG in Mainz.

In den Anfangsjahren blieb Factoring eine Nischenerscheinung, unter anderem mangels rechtlicher Rahmenbedingungen und aufgrund von Vorbehalten.

Erst ab den späten 1960ern etablierte sich die Branche institutionell: 1971 gründeten mehrere Landesbanken gemeinsam die Deutsche Factoring Bank als erstes spezialisiertes Institut. Kurz darauf folgte die Vernetzung der Anbieter – im Juli 1974 entstand der Deutsche Factoring-Verband e.V., dem bis 2018 über 40 Mitglieder angehörten.

Rechtliche Unsicherheiten bremsten zunächst die Verbreitung. So galten etwa Fragen der Forderungsabtretung und des Eigentumsvorbehalts als ungeklärt. Einen Durchbruch markierten Grundsatzentscheidungen des Bundesgerichtshofs 1977/78, die echtes Factoring als zulässig bestätigten und Klarheit über die Behandlung abgetretener Forderungen schufen. Nach diesen Urteilen setzte sich das moderne, aus den USA stammende Factoring in Deutschland zügig durch.

In den folgenden Jahrzehnten wuchs die Branche stark: Seit den 2000er-Jahren verzeichnet Factoring zweistellige Wachstumsraten. So verdoppelte sich das Factoring-Volumen in Deutschland zwischen 2000 und 2006 auf rund 55 Mrd. €.

Im Jahr 2024 wurde in Deutschland ein angekaufter Forderungsvolumen von 398,8 Mrd. € erzielt – ein Zuwachs von 3,7 % gegenüber dem Vorjahr. Die Zahl der Factoring-Kunden stieg leicht auf 106.850 Unternehmen, die Zahl der Debitoren übertraf erstmals die Marke von 10,8 Millionen.

Besonders bemerkenswert: Die Factoring-Quote – also das Verhältnis vom angekauften Forderungsvolumen zum Bruttoinlandsprodukt – blieb mit 9,3 % stabil, obwohl das nominale BIP inflationsbedingt gestiegen ist.
Damit ist das Factoringvolumen zwar gewachsen, hat aber nicht überdurchschnittlich zur Gesamtwirtschaft zugelegt.

 Zum Vergleich: In Ländern wie Belgien (23,2 %), Spanien (18,5 %) oder den Niederlanden (16,3 %) liegt die Factoring-Quote deutlich höher, was zeigt, dass auch in Deutschland weiteres Wachstumspotenzial besteht.

Imagewandel: Vom Notnagel zum Finanzierungsinstrument

Lange Zeit haftete dem Factoring ein negatives Image an. Besonders im deutschsprachigen Raum galt es früher als „Notfinanzierung“ für Unternehmen in Schwierigkeiten oder als Ausdruck von Misstrauen gegenüber den Kunden.

Noch Mitte der 2000er hielten sich Vorurteile, Factoring werde primär von Firmen genutzt, die es „nötig haben“– also bei Liquiditätsengpässen oder zweifelhaften Debitoren. Auch die Angst, Kunden könnten die Abtretung von Forderungen als Zeichen einer Bonitätsschwäche interpretieren, sorgte für Zurückhaltung.

Etwa seit den späten 2000er-Jahren ist jedoch ein deutlicher Imagewandel zu beobachten. Eine 2006 veröffentlichte Studie ergab bereits, dass Factoring sich zu einem akzeptierten Instrument im Finanzierungsmix entwickelt – zwei von drei befragten Mittelstands-Finanzentscheidern erwarteten, dass Factoring künftig eine wichtigere Rolle spielen wird.

Im Laufe der 2010er-Jahre hat sich die Wahrnehmung weiter professionalisiert. Immer mehr etablierte Unternehmen berichten positiv über ihre Erfahrungen, und die Vorteile (Liquiditätssicherung, Ausfallschutz, Entlastung des Mahnwesens) treten in den Vordergrund.

Aktuell wird Factoring zunehmend als „Qualitätsmerkmal“ eines modernen, wachstumsorientierten Unternehmens betrachtet. Selbst konservative Branchen erkennen an, dass die Nutzung dieses Instruments nicht finanzielle Schwäche, sondern ein aktives Working-Capital-Management signalisiert.

Unterstützt durch Öffentlichkeitsarbeit der Verbände und erfolgreiche Praxisbeispiele hat sich das ehemals skeptische Image großteils gelegt – Factoring gilt heute überwiegend als seriöses, effizientes Finanzierungswerkzeug.

Heutige Wahrnehmung nach Zielgruppen

Die Einstellung zu Factoring unterscheidet sich heute je nach Unternehmensgröße und -typ. Während große Konzerne das Instrument oft strategisch einsetzen, mussten kleinere Firmen und Start-ups teils erst Vertrauen fassen. Die folgende Tabelle gibt einen Überblick über die differenzierte Wahrnehmung und Nutzung:

Zielgruppe

 Wahrnehmung und Nutzung von Factoring

Start-ups

 Junge Unternehmen stehen dem Forderungsverkauf heute pragmatisch gegenüber. Da Bankkredite für Start-ups schwer zugänglich sind (Banken stufen sie oft als zu riskant ein), gewinnt diese Lösung als alternative Finanzierung an Bedeutung.

Viele Gründer sehen den fortlaufenden Forderungsverkauf als nützliches Liquiditäts-Tool, um sofort Cashflow aus Rechnungen zu erhalten und Wachstum zu finanzieren.

Bereits ab der Frühphase (erste Kundenrechnungen) kann Factoring genutzt werden. Zwar achten Start-ups auf eventuelle Kosten, doch das frühere Stigma spielt in der Gründer-Community eine geringere Rolle – die Nutzung wird eher als Innovations- und Überbrückungsfinanzierung betrachtet denn als Notsignal.

KMU / Mittelstand

 Im Mittelstand hat sich das Image des Factorings in den letzten Jahren stark verbessert. Viele kleine und mittlere Unternehmen (KMU) erkennen Forderungsverkauf inzwischen als professionelles Finanzierungsinstrument zur Wachstumsfinanzierung, Verbesserung der Liquidität und Absicherung vor Ausfällen. 

Factoring hat in den letzten Jahren einen festen Platz im Finanzierungsmix des Mittelstands erobert. Ein Blick auf die Nutzerzahlen zeigt, dass vor allem kleinere und mittlere Unternehmen den Forderungsverkauf aktiv einsetzen: Über 90 % der Kunden der Factoring-Gesellschaften gehören zum KMU-Segment. Konkret zählte der Deutsche Factoring-Verband 2024 knapp 106.850 Kunden – 93,9 % davon mit Jahresumsätzen (bzw. Factoring-Tickets) unter 10 Mio. €. Diese breite Basis an Mittelständlern nutzt diese Finanzierungsmöglichkeit, um Liquidität zu sichern, Zahlungsziele anzubieten und Risiken auszulagern.

Damit wird klar, dass immer mehr Mittelständler Factoring als Teil des Finanzierungsmixes verstehen – weg vom Gedanken einer „letzten Rettung“ hin zum gängigen Werkzeug

Großunternehmen

Großkonzerne und international tätige Unternehmen nutzen Factoring und verwandte Lösungen schon lange als festen Bestandteil ihres Working-Capital-Managements.

Für sie steht der strategische Nutzen im Vordergrund – z. B. Bilanzoptimierung, Kapitalfreisetzung und Risikoüberwälzung – nicht die Überbrückung von Zahlungsengpässen.

Das Image ist in diesem Segment durchweg positiv: Die Nutzung wird als Zeichen eines professionellen Finanzmanagements gesehen.

Zudem implementieren große Abnehmer Reverse-Factoring-Programme (Lieferantenfinanzierungen), um ihren Lieferanten frühzeitige Zahlungen zu ermöglichen (siehe unten).

Weil bei DAX-Unternehmen & Co. eine solide Bonität vorausgesetzt wird, interpretiert auch kaum jemand Factoring als Schwächesignal.

Vielmehr erwarten Geschäftspartner oft, dass Großunternehmen alle Finanzierungsinstrumente – inklusive Factoring – effizient ausschöpfen.

Auch in Sektoren betrachtet zeigt sich eine weite Verbreitung.

Die wichtigsten Branchen im deutschen Factoring sind seit Jahren der Handel (Groß- und Zwischenhandel) auf Platz 1 und das Gesundheitswesen auf Platz 2.

2023 entfielen über 21 % des angekauften Forderungsvolumens auf Handelsunternehmen, und rund 15 % auf Gesundheitsdienstleister (Krankenhäuser, Arztpraxen, Labore usw.), die z. B. ihre Erstattungsforderungen gegenüber Krankenkassen verkaufen.

Auf Rang 3 folgte zuletzt die Ernährungsindustrie (Lebensmittelbranche), dicht gefolgt von der Metallverarbeitung und dem Maschinen- und Fahrzeugbau.

Bemerkenswert ist insbesondere das Factoring im Gesundheitswesen: Dieser Sektor hat sich zu einem bedeutenden Teilmarkt entwickelt, da hier oft lange Zahlungsziele (etwa von öffentlichen Kostenträgern) und hoher Liquiditätsbedarf aufeinandertreffen. Spezialisierte Medizin-Factoringgesellschaften übernehmen für Kliniken, Pflegeeinrichtungen und Arztpraxen die sofortige Auszahlung von Rechnungen und das Ausfallrisiko.

Insgesamt gilt: Industrie, Handel und Dienstleister gleichermaßen nutzen Factoring. Selbst in klassischen Bankhochburgen suchen Unternehmen vermehrt den Weg zum Factor, um sich in unsicheren Zeiten unabhängiger von einzelner Bankenfinanzierung zu machen.

Die breite Branchenstreuung – u. a. im Handel, Gesundheitswesen, Ernährungsgewerbe, Metall/Elektro und Automotive – zeigt, dass Factoring heute als verlässliches Instrument quer durch die Wirtschaft geschätzt wird.

Was kannst du daraus für deine Bilanzbuchhalter-Prüfung mitnehmen?

Bevor du einfach irgendwelche Vor- und Nachteile in deine Präsentation copy-pastest: Beschäftige dich damit.

Nicht nur, um zu verstehen, was für dein  Unternehmen, in dieser Situation, deine Problemstellung und deine geplante Lösung sinnvoll ist –  sondern auch, um die Argumente überhaupt mal kritisch zu hinterfragen, bevor du sie weiterträgst.

Denn nur weil irgendwo steht, etwas „wirke image-schädigend“, heißt das noch lange nicht, dass das heute überhaupt noch zutrifft – und schon gar nicht, dass es für deinen Fall relevant ist.

Also: Nicht alles, was irgendwo als Nachteil gelistet wird, ist automatisch auch einer.
Und nicht alles, was als Vorteil gilt, passt zwangsläufig zu deiner Präsentatioonsvorhaben.

Dein Job: nicht nur auflisten – sondern prüfen, übertragen und argumentieren.
Sonst bleibt’s Theorie. Und das merkt man.

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Quellen

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